/ Januar 28, 2018


Unsere Pfarrkirche feiert ihren 90sten Geburtstag, dabei wurde der Grundstein zu der Kirche bereits 1836 gelegt. Und wenn man jetzt noch nicht verwirrt genug ist, dann sei hinzugefügt: Bald kann sie auf ein Jahrtausend zurückblicken, aber der Reihe nach:

Während der Ort Hemmerden erst im dreizehnten Jahrhundert durch den Verkauf verschiedener Höfe im Jahr 1226 ins Rampenlicht der Geschichte tritt und seine Pfarre namentlich erst 1290, kann davon ausgegangen werden, dass Ort und Pfarre bereits zuvor bestanden. Schließen lässt sich dies aus den Hemmerder Pfarrpatronen schließen, den heiligen Mauren. Diese 360 Nordafrikaner, die als Gefährten des Gereon von Köln zusammen mit ihm zu Märtyrern wurden, waren nämlich etwas in Vergessenheit geraten. Erzbischof Anno entdeckte sie zur Mitte des elften Jahrhunderts wieder und so wurden einige wenige Kirchen nach den Kämpfern benannt. So darf man von davon ausgehen, dass vor 1100 in Hemmerden eine Kirche mit dem Patronat der heiligen Mauren gebaut wurde.

Diese Kirche stand an derselben Stelle wie die heutige Pfarrkirche, nur war sie deutlich kleiner: Das Hauptschiff, welches den Ursprungsbau darstellte, war 35 Fuß lang und 19 Fuß breit. In etwa entspricht dies 11m x 6m, je nachdem, welches der damals lokal festgelegten Fußmaße greift. Damit entspricht sie in den Außenmaßen etwa einem Drittel unserer heutigen Pfarrkirche. Auch damals schon war die Kirche von einer Mauer umgeben und erhöht gelegen. Der Friedhof befand sich um die Kirche herum. Einen Turm hatte St. Mauri auch damals schon, allerdings handelte es sich um einen Holzturm. Noch vor 1500 wurden ein Seitenschiff sowie eine Sakristei angebaut. Das zu Ende des 16. Jahrhunderts bereits hohe Alter des Gebäudes, zusammen mit den nicht oder mangelhaft beseitigten Schäden aufgrund mehrmaliger Zerstörung des Dorfes führte zu mehreren Eingaben beim Domkapitel, die Kirche müsse repariert werden. So wurde während des Dreißigjährigen Kriegs das Gotteshaus wieder instandgesetzt. Das dies nicht in Gänze geschah, ist daran abzulesen, dass die Kirchmeister (heute also etwa der Kirchenvorstand) 1697 beantragten, solange den Zehnt des Domkapitels zu beschlagnahmen, bis die Kirche wiederhergestellt sei. Dennoch zog sich die Restauration über das gesamte 18. Jahrhundert, insgesamt ohne Erfolg. So wurde am 22. Juni 1736 der Turm bei einem Gewitter zerstört, 1742 musste das Seitenschiff abgerissen und neugebaut werden. Zu Beginn der 1830er Jahre war es soweit, dass Stücke aus der Decke fielen, der damals ausgebesserte Turm absank und so baufällig war, dass nicht mehr geläutet werden konnte.

Nachdem ein Teil der Kirche einfiel und sie ohnehin mittlerweile um die Hälfte zu klein war, wurde der Neubau gewilligt. So machte die mittelalterliche romanische Kirche Platz für eine neue „im Scheunenstil“. Die heiligen Messen feierte man in einem Zelt an der Hinterseite des Pfarrhauses. So wurden am 26.8.1836 durch Pfarrer Wirtz (übrigens sensationelle 55 Jahre Pfarrer von Hemmerden), Fürst Josef zu Salm-Dyck, Baron Felix von Francq und den Offizieren der Bruderschaft unter Gesang und (auch damals schon) Böllerschüssen die Grundsteine gelegt. 1839 wurde die Kirche eingesegnet, 1851 durch Weihbischof und Generalvikar Dr. Baudri konsekriert. In den kommenden Jahrzehnten wurde viel unternommen, um die Kirche auszustatten und zu verschönern, es wurde sogar ein Verein dafür gegründet. Aber es gab auch größere Geschenke, z.B. einen Taufstein aus Marmor mit Kupferdeckel der Eheleute Holtz, Statuen des heiligen Rochus und des heiligen Donatus, ein Kreuzweg aus Terrakotta und vieles mehr. Teile dieser Geschenke schafften es das drohende Inferno zu überleben. Und das kam mit Vorankündigung, denn seit Ende 1926 trieben Brandstifter in Hemmerden ihr Unwesen. Grund genug für den Kirchenvorstand, Gebäude und Interieur noch zu versichern, insgesamt für 160000 Mark. Am 10. Juli 1927 fing der Turm an zu brennen. Da dies während des Hochamts geschah, konnte er aber schnell gelöscht und abgestützt werden. In der Nacht vom 18. auf den 19. Juli jedoch brannte die Kirche bis auf die Grundmauern nieder. In nur zwei Stunden tobte das Feuer und raffte nahezu alles dahin, sogar die Glocken schmolzen. Wie durch ein Wunder schaffte es aber die Holzstatue des heiligen Rochus nahezu unbeschädigt durch die Katastrophe. Sie ist, wie vier der originalen Kreuzwegstationen und das Taufbecken, noch in der heutigen Kirche zu bewundern.

Die Kirche wurde noch 1927 wieder aufgebaut, diesmal im barocken Stil. Der charakteristische Turmhelm, der der uns vertraute Blickfang in unserem Dorf ist, wurde damals angefertigt. Konsekriert wurde die Kirche nicht nochmals, da die bestehenden Mauern genutzt wurden. Im Jahr 1928 konnte sie dann wieder eröffnet werden. Schnell wurde die Kirche wieder voll ausgestattet, einerseits aus dem Versicherungsgeld, andererseits wiederum aus Spenden, so z.B. der Kommunionbank von Fa. Birbaum, dem Mariahilfaltar von Wwe. Moll., eine Glocke von der Bruderschaft oder auch einen großen Teil des Hochaltars durch eine Spende des Fürsten von Dyck. So hatte Hemmerden wieder eine voll ausgestattete Kirche mit einem ansehnlichen Hochaltar, der allerdings nur 36 Jahre alt wurde, denn 1971 begann eine Renovierung, die die Kirche auf nachkonziliäre Verhältnisse umstellte, so dass der gesamte Hochaltar abgerissen wurde und die die Ausmalung auf einfaches Weiß geändert wurde. Durch die spätere Renovierung, die den Schriftzug „Ich bin der Weg, die Wahrheit u. das Leben“ wiederbrachte, schafft die Kirche es etwas ihres alten Flairs zurückzubringen. Mit dem Taufbecken, den herrlich restaurierten und ergänzten Kreuzwegstationen und dem heiligen Rochus können wir in unserer Pfarrkirche eine greifbare Verbindung zur Vergangenheit erleben, wenn wir außerdem daran denken, dass im Altar die originalen, beim Brand unversehrten, Reliquien liegen und der Türsturz der alten Kirche noch im Fundament der heutigen vorhanden ist, dann können wir uns sogar mit denen verbunden fühlen, die vor fast einem Jahrtausend an unserer Stelle dort gesessen haben.

– Markus Deuß –

 

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