Ein Jahr vor der Jahrtausendwende, im Jahre 1999, feierte die St. Sebastianus Schützenbruderschaft Hemmerden ihr 650-jähriges Bestehen. Die Bruderschaft wurde im Pestjahr 1349 gegründet. Ihre Aufgabe war es sicherlich in der kaiserlosen Zeit für den Schutz der Bevölkerung zu sorgen und kirchliche Aufgaben zu übernehmen.

Das Königssilber mit der durch Anna Franziska, verwitwete Reichsgräfin zu Salm-Dyck, im Jahre 1732 gestifteten ersten Platte.

Im Jahre 1659 erfolgte die Neugründung der Bruderschaft unter dem Protektorat der Herren von Schloss Dyck. Graf Franz-Ernst Salm regelte 1686 die Statuten der Sebastianer. Danach diente die Bruderschaft St. Sebastianus dem Schutz des katholischen Glaubens und dem Schutz der Prozessionen bei feierlichen öffentlichen Umzügen. Die Herren auf Schloss Dyck gaben den Sebastianern über Jahrhunderte hinweg Orientierung. Mit dem Tod des letzten Dycker Fürsten Franz Josef, Hochmeister der „Erzbruderschaften des heiligen Sebastianus“ (heutiger Bund der historischen deutschen Schützenbruderschaften) im Jahr 1958 endete die Adelslinie und erlosch damit auch das Protektorat der Dycks über die Bruderschaft.

Die Verbundenheit mit dem Haus Salm-Reifferscheidt-Dyck zeigt sich auch im reichen Schützensilber, das der jeweilige König der Sebastianer an den Festtagen trägt. So stiftete die erste Platte des Königssilbers nach dem Wiederaufleben der Schützenfeste im Jahre 1732 Anna Franziska, verwitwete Reichsgräfin zu Salm-Dyck. Auf dem siebten Wappen lautet die Inschrift: „Zur Erinnerung an den Einzug des Fürsten und Altgrafen Alfred zu Salm-Reifferscheid und der Fürstin Maria, geborene Gräfin von Bellegarde, im Mai 1732“. Viele der alten Silberplaketten sind verloren gegangen, eingeschmolzen in Not oder befinden sich im der Kette angehängten Vogel. Umso stolzer ist die Bruderschaft auf die historischen Schätze, die noch vorhanden sind. Dazu gehören noch einige historische Fahnen bei ihren Zügen, die alte Bruderschaftsfahne wurde leider Souvenir alliierter Soldaten im zweiten Weltkrieg.

Neben dem Durchführen und Begleiten von Prozessionen, wie es in allen vorhandenen Statuten nachlesbar ist, gehörte auch stets das Begleiten verstorbener Brüder auf ihrem letzten Weg zu den vornehmsten Pflichten der Sebastianer, in der Formulierung von Graf Franz-Ernst 1686: „würde einer von den Brüdern sterben so sollen alle Brüder ihrem abgelebten Mitbruder nach altem Christlichen Gebrauch helffen zur Erden bestatten“.

Ankündigung zum Schützenfest in Hemmerden im Jahr 1869

Der Leitsatz „Glaube, Sitte, Heimat“ hat für die St. Sebastianus Bruderschaft Hemmerden eine tiefe Bedeutung. Dort, wo sich einst reiche Römer entlang der alten Heerstraße von Novaesium (Neuss) zur gallischen Provinz Belgica (dem heutigen Belgien) niederließen, sind die Sebastianer Bewahrer einer lebendigen Tradition. Sie repräsentieren in Hemmerden, das 1226 erstmals urkundlich erwähnt wird, aber deutlich älter ist, nicht nur mit ihrem Heimatfest einmal im Jahr eine lebens- und liebenswerte Dorfgemeinschaft. Für die Bruderschaft ist es ebenso wichtig, dass sich Nachbarn einander helfen und füreinander da sind. So dient die Bruderschaft auch der Integration. Bei den Sebastianern findet der Neubürger schnell Anschluss.

Die Hemmerder Bruderschaft feiert ihr Schützenfest stets am ersten Wochenende des ersten Sonntags im Juli, seit 1877 bis zum Jahr 1961 war das dritte Wochenende im Juni üblich. Zuvor wurde der Termin jährlich neu entschieden. Neben dem Jubiläumsschützenfest 1999 war auch das von 1949 ein herausragendes Ereignis. Zugleich war es das erste viertägige Schützenfest seit dem Kriegsende, 1948 wurde nämlich nur Sonntag gefeiert. Vom „herrlichen Festverlauf“ schwärmt der Geschäftsführer im Bericht zum Jubiläum 1949 und resümiert „Die Tage werden der ganzen Gemeinde noch lange in Erinnerung bleiben“. Ähnlich enthusiastisch sein Nachfolger 1999 nach seinem Bericht, der mit dem Schützenfestdienstag endete: „Auch dieser Abend wird in die Geschichte eingehen, wie das gesamte Jubiläumsfest der 650-Jahrfeier. […] Höhepunkte über Höhepunkte.“

Es muss für die Schützen der 600-Jahr-Feier eine unglaubliche Erleichterung gewesen sein, das Schützenfest befreit wieder feiern zu können, war die Bruderschaft doch aufgrund ihrer kirchlichen Zuordnung der nationalsozialistischen Regierung ein Dorn im Auge. 1936 musste der Vereinsname daher in „Sebastianusschützen“ umbenannt werden, nach Kriegsbeginn war natürlich an feiern nicht mehr zu denken.

Durch die Jahrhunderte fielen immer wieder Feste Kriegen zum Opfer, wie z.B. dem ersten Weltkrieg, dem deutsch-französischen Krieg, dem Krieg gegen Italien oder dem siebenjährigen Krieg. In der langen Zeit des dreißigjährigen Kriegs war die Bruderschaft faktisch nicht existent, wie oben zu sehen fand erst später die Wiedergründung statt. (Letztere wurde übrigens auch mit einer Jubelfeier im Jahr 1910 bedacht, in der ein mittelalterlicher Umzug veranstaltet wurde.) Manchmal konnte aber auch einfach „Hagelschlag“ das Fest verderben, im Lagerbuch der Bruderschaft lesen wir aber auch einmal „sonderbare Umstände“ als Grund eines Ausfalls.

Eine Bruderschaft, die Prozessionen (früher war hier auch eine große Pfingstprozession üblich), Wallfahrten und Beerdigungen begleitet und stets am Sebastianustag (20. Januar) eine Messe lesen lässt, feiert natürlich das Pfarrpatrozinium ebenso. Daher findet eine Kirmes statt, unsere heutige Spätkirmes, wie der Gemeinderat 1922 noch einmal festschrieb: „in althergebrachter Weise am ersten Sonntag nach dem 9. Oktober (Dionysius)“. Wenn man sich fragt, was der martialisch seinen abgehackten Kopf in der Hand haltende Nothelfer Dionysius von Paris mit der Pfarrkirche St. Mauri zu tun hat, stellt man schnell fest: gar nicht. Am 10. Oktober jedoch wird Gereon von Köln gefeiert und dessen Gefährten waren die heiligen Mauren. Die Regelung stellt also sicher, dass wir nicht „vorfeiern“. Nach einigen Jahren, in denen die Kirmes auf das dritte Wochenende im Oktober gelegt wurde, wird mittlerweile wieder zum eigentlichen Termin samstags und sonntags gefeiert. Bis zur Schützenfestumstellung wurde sogar die Spätkirmes viertägig abgehalten, inklusive Klompenzug und am Dienstag zum Abschluss dem Königsehrenabend.

Ein weiterer durch die Geschichte nachweisbarer Termin ist der Vogelschuss, aus dem sich ursprünglich das Schützenfest herausbildete. Daher lag er auch zunächst am Schützenfest, später wurde der Vogelschuss vom Aufmarschfest unterschieden und fand oft am Sonntag nach Christi Himmelfahrt und in der Nachkriegszeit nahezu ausschließlich an Fronleichnam statt.

173 Könige der St Sebastianus Schützenbruderschaft ab dem Jahre 1501 sind uns namentlich bekannt, ihre Krönungen und Proklamationen sind durch die Jahrzehnte auf nahezu jeden Schützenfesttag wie auch auf die Spätkirmes gewandert.

Dieser kleine Streifzug durch die Geschichte lässt erahnen, dass Hemmerden und damit die Bruderschaft, die ihr Dorf seit bald 670 Jahren begleitet, voller Historie sind. Wir als Sebastianer stehen in einer langen Reihe Hemmerder Bruderschaftler, die den Problemen ihrer Zeit unterworfen waren. Sie mussten mit Krieg, Hunger, Besatzung, Wetterkastrophen zurechtkommen, fanden aber immer die Kraft zusammenzukommen, um zu feiern, Freude zu verbreiten und die Zukunft aufzubauen. Das Leitwort „Aus alter Wurzel neue Kraft“ führt uns genau zum gleichen Handeln. Wir Sebastianer suchen Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu Gunsten unserer Dorfgemeinschaft zu finden mit den Mitteln unserer Zeit, aber im Bewusstsein unserer reichen Tradition und mit dem symbolischen Rückhalt von etlichen Generationen, dessen wir uns gewiss sind.