/ Juli 4, 2021

Liebe Anwesende, liebe Schützen,

wir haben uns heute hier eingefunden, um unserer Verstorbenen und Gefallenen zu gedenken und  war erstmalig zusammen am Sonntagmorgen und im Spiegel der aktuellen Lage, auf alle drei Aspekte, Ehrung der Verstorbenen, Ehrung der Gefallen und unsere Lage möchte ich eingehen. Dies ist eine deutlich andere Form als sonst und doch ein Stückchen unserer Tradition, das wir damit in diesem Jahr durchführen. Trotz des Unterschieds ist es ein essentielles Stück.

Traditionen von uns Schützen werden vielfach nicht verstanden, als verknöchertes Relikt  vergangener Zeiten abgetan. Dabei werden sie am Leben gehalten, sie sind gerade nicht wie verstaubte Bücher, die wegen ihres schönen Einbands noch im Regal prangen. Auf ihren Inhalt kommt es hauptsächlich an.
Oder wie ein bekannter Spruch Gustav Mahlers, den in leichter Abwandlung ein Zug unseres Regimentes gerne zitiert, dies auch zeigt: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“.
Traditionen sind also alt im Sinne von althergebracht, aber nicht veraltet.

Das Gedenken an unsere Verstorbenen als Teil unserer Gemeinschaft, Bruderschaft wie Dorfgemeinschaft, gehört zum Kern unseres Zusammenlebens. Vermutlich galt die Begleitung der Beerdigungen verstorbener Brüder schon zu Gründungszeiten, die durch die Pest mit ihren erschreckenden Todeszahlen gekennzeichnet war, zu den vornehmsten Pflichten der Sebastianer, seit den Statuten von 1686 haben wir das auch schriftlich:
„würde einer von den Brüdern sterben so sollen alle Brüder ihrem abgelebten Mitbruder nach altem Christlichen Gebrauch helfen zur Erden bestatten“
Dass wir dies bei vielen unserer Brüder und Schwestern in diesen Jahren nicht tun konnten betrübt uns zutiefst.
Nicht nur ein Verein, ein Dorf lebt von Gemeinschaft. Ein bloßes nebeneinander Wohnen schafft ein Wohngebiet, aber kein Dorf. Die gegenseitige Anteilnahme am Leben, Hilfe, geteilte Freude sowie Leid, gemeinsame Arbeit und alltägliche Gespräche formen unsere Gemeinschaft.
Unsere lieben Verstorbenen waren Teil dieser und haben sie mitgestaltet. Jede und jeder von uns hat andere, wertvolle Erinnerungen an die, die von uns gegangen sind, vermisst geliebte Personen und trauert, wenn ihre nun leeren Plätze sichtbar sind.
Wir zusammen sind das, was wir sind, auch durch ihr Werk, deshalb wollen wir uns gemeinsam an unsere Verstorbenen erinnern und ihr Lebenswerk ehren.
Im Besonderen denken wir in dieser Zeit an die Verstorbenen in der Coronazeit, die uns auch zum Teil durch die Pandemie genommen wurden:

  • Birbaum, Heinrich
  • Reingen, Peter
  • Berghausen, Karl-Heinz
  • Schiffer, Peter
  • Hilgers, Gottfried (Fritz)
  • Schiffer, Jakob
  • Schnitzler, Hubert
  • Preckel, Irmgard
  • Bongartz, Hans
  • Dicken, Heinz-Theo
  • Rensing, Hans-Josef
  • Koch, Heinz
  • Schlegel, Willi

Meine Damen und Herren, liebe Schützen, eigentlich hätten wir dies am Montag auf dem Friedhof getan, aber wie eben dargestellt, wird heute unsere Tradition in ihrer Form variiert.
Zu den oft missverstandenen oder als aus der Zeit geraten betrachtenden Tradition gehört auch die Ehrung unserer Gefallenen.
Und tatsächlich, schaut man sich Bilder aus den Dreißigerjahren an, sieht man die Schützen am alten Kriegerdenkmal versammelt und wehten nicht Hakenkreuzflaggen anstelle unserer Deutschlandfahne, man würde optisch keinen Unterschied bemerken.
Aber auch hier gilt: Es sind die Inhalte zu beachten, nicht bzw. nicht nur die Form. Den Schützen ging es stets darum, ihrer Brüder zu gedenken, auch sie Teil der Gemeinschaft, dort aber oft zu jung in Kriege geschickt aus denen sie nicht mehr zurückkamen. Sie waren Opfer ihrer Zeit und deren Politik.
Ein wichtiger Aspekt, der sicher damals nicht formuliert und beachtet wurde, kam für alle erst in der Rückschau auf den zweiten der Weltkriege hinzu, nämlich die mit dem Opfer der Gefallenen verbundene Aufforderung, solch eine Katastrophe nie wieder geschehen zu lassen. Dies ist die Mahnung, die es zu bewahren gilt, dies ist der Inhalt, der sich in der Tradition weiterträgt, dies ist der Auftrag an uns und dies ist, was ihrem sonst sinnlosen Tod einen Sinn verschafft. Deshalb gedenken wir ihrer und würdigen sie an dieser Stelle.

Der dritte Aspekt, der deutlich außerhalb des üblichen Rahmens liegt, beschäftigt sich mit unserer derzeitigen Lage. Zu unseren Traditionen gehören nicht nur die Ehrungen, unser zum zweiten Male ausfallendes Fest mit seinen Aufzügen, Paraden, der Krönung, den Ehrungen im Festzelt ist zutiefst geprägt von Traditionen, vor allem fällt dort die beständige Form auf. Die Form, der ich doch eben den Inhalt vorgezogen habe.
So wenig wie inhaltsleere Traditionen Sinn ergeben, so ist aber deren äußere Form nicht ganz unwichtig, sie stellt eine Gewohnheit dar, sie gibt uns Halt. Selbst die Feiern im Zelt, die Viele, die nicht mit dem Schützenwesens vertraut sind, als „Die saufen ja nur“ abtun, sind Teil dieses Rückhalts, dieses gewohnten Brauchs.
Liebe Anwesende, die Zeiten heute fordern uns nicht in der Weise heraus, wie die Pest es in unserem Gründungsjahr 1349 tat. Wir kämpfen nicht gegen einen unbekannten Feind, gegen den wir uns nicht schützen können, unser Wissen hilft uns in dem Kampf. Vielmehr werden wir dadurch herausgefordert, dass wir uns unsicher fühlen. Wir sind aus unserer Gewohnheit gerissen, den Halt, den wir durch Traditionen wie das Schützenfest, den Karneval, den Martinszug, die Lichterketteneröffnung, den Vogelschuss, die Spielzeiten unserer Sportvereine usw. haben, gibt es nicht.

Innerhalb unserer Dorfgemeinschaft uns gegenseitig direkten persönlichen Rückhalt zu geben, war lange Zeit nicht möglich. Dies verstärkt manche Unsicherheit, Angst und Einsamkeit.
Wir alle haben Wege gefunden, anderen zu helfen und dies bleibt unsere Aufgabe. Der Schutz der Nächsten zu deren körperlichen Gesundheit, aber auch die Gesunderhaltung ihres Geistes und ihrer Seele bleibt unser aller gemeinschaftliche Aufgabe, zu der ich jede und jeden aufrufen möchte.
Wir Sebastianer – und ihr, liebe Brüder werdet da zustimmen – werden unsere Traditionen aufrecht erhalten, wir werden den starken Rückhalt, denn wir mit starken Inhalten füllen, wieder errichten. Wir werden weiter für unsere Dorfgemeinschaft da sein, wir werden, so Gott will, im nächsten Jahr am Montag auf dem Friedhof unsere Verstorbenen besuchen und am Samstag im Rahmen des großen Zapfenstreichs an unsere Gefallenen erinnern und wir werden dabei in Gedanken an sie schließen mit der, auch heute wie immer gültigen Schlussfolgerung: Ehre, wem Ehre gebührt.

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